SCHAUBÜHNE

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Ausgangslage


Die Schaubühne wurde 1962 unter dem Namen »Schaubühne am Halleschen Ufer« als privates Theater mit einem politisch und sozial engagierten Spielplan gegründet. Von den ursprünglich vier
Gründungsmitgliedern trägt Jürgen Schitthelm weiterhin die Verantwortung als Direktor der Schaubühne. Seit 1991 ist Dr. Friedrich Barner Mitglied der Direktion. Namhafte Regisseure und Schauspieler des deutschsprachigen Theaters, unter anderem Peter Stein, Klaus Michael Grüber, Luc Bondy, Robert Wilson, Andrea Breth, Bruno Ganz, Edith Clever, Jutta Lampe, haben das Haus zu Weltruhm geführt.
Gespielt wurde zunächst am Halleschen Ufer in Kreuzberg (im heutigen HAU 2) und seit 1981 im Mendelsohnbau am Lehniner Platz. Unter Thomas Ostermeier, Jens Hillje, Sasha Waltz und Jochen Sandig, die von 1999 bis 2004 die Künstlerische Leitung der Schaubühne inne hatten, entwickelte sich das Haus zu einem der wichtigsten Orte der internationalen Schauspiel- und Tanz-Avantgarde.
Als das letzte große Sprechtheater im Westen Berlins, nach Schließung der Freien Volksbühne und des Schiller- und Schloss- parktheaters, steht die Schaubühne heute – unter der Künstlerischen Leitung von Thomas Ostermeier und Jens Hillje – für ein experimentelles und zeitgenössisches, die Texte vergangener Jahrhunderte einbeziehendes Autoren- und Repertoiretheater.


Die Spielplanentscheidungen sind geprägt von einem kritischanalytischen, oft politischen Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit und der daraus folgenden Befragung der Formen eines zeitgemäßen Realismus in Inszenierung, Spielweise und Bühnenästhetik.


Diese künstlerische Programmatik trifft auf große Resonanz inner- und außerhalb Berlins. Insbesondere die zahlreichen Gastspiele in aller Welt (seit 2000 wurden 674 Vorstellungen im Rahmen von 235 Gastspielen vorwiegend im Ausland gezeigt) bestätigen Jahr für Jahr auf eindrucks- volle Weise, wie sehr es dem künstlerischen Team gelingt, das internationale Renommee der Schaubühne weiterzuentwickeln. Kein anderes deutschsprachiges Theater ist in vergleichbarer Weise mit Gastspielen im Ausland präsent.



Thomas Ostermeier und die Hausregisseure Luk Perceval und
Falk Richter


Die Beschäftigung mit den Lebenswelten der heutigen Bundesrepublik begann mit der kontrovers aufgenommenen, im Rückblick aber geradezu prophetischen Produktion »Personenkreis 3.1« von Lars Norén in der Inszenierung von Thomas Ostermeier. Der Blick wanderte dann von Randgruppen und Ausgeschlossenen der Gesellschaft ins Zentrum der bürgerlichen Lebenswelt zwischen der neuen Mitte und dem altem Westen Berlins, dem traditionellen Kernpublikum der Schaubühne. Dazu dient die Auseinandersetzung mit den bürgerlichen Klassikern des 19. Jahrhunderts: In den Inszenierungen von Henrik Ibsens »Nora» (eingeladen zum Berliner Theatertreffen 2003) und »Hedda Gabler» (eingeladen zum Berliner Theatertreffen 2006) findet sich ein kritisches Publikum in seinen Ängsten und Hoffnungen widergespiegelt und in seinen materiellen und mentalen Lebensverhältnissen treffend analysiert.


Die Inszenierungen von Büchners »Woyzeck» und O´Neills »Trauer muss Elektra tragen» haben diese beiden Linien der Erkundung und Beschreibung von Peripherie und Zentrum der Gesellschaft weiter getrieben.

Die verständliche und inhaltlich schlüssige Vergegenwärtigung von Texten des bürgerlichen Kanons erschließt – wenn sie gelingt – den Blick auf die unmittelbar aktuelle Virulenz eines Konflikts und im gleichen Moment auf seine historische Dimension.

 

Darüber hinaus hat sich Thomas Ostermeier als Uraufführungsregisseur von Autoren wie Caryl Churchill, Richard Dresser, Jon Fosse, David Harrower, Sarah Kane, Lars Norén, Marius von Mayenburg, Mark Ravenhill oder Karst Woudstra profiliert.

 

Mit Luk Perceval konnte die Schaubühne als Hausregisseur eine zweite kraftvolle, international anerkannte Regiehandschrift nach Berlin verpflichten. Inspiriert von der Größe und den Möglichkeiten des Mendelsohn-Baus als Theaterraum, erweitert Luk Perceval den Spielplan der Schaubühne um eine visionäre Auseinandersetzung mit Shakespeare und den französischen Klassikern. Er ergänzt den Schaubühnenblick auf die Wirklichkeit um eine tiefgehende wie gnadenlose Befragung der condition humaine und entdeckt dabei selbst in deutschen Klassikern die Komödie menschlicher Abgründe.

 

Mit Luk Perceval und dem dritten festen Regisseur des Hauses, Falk Richter, führt die Schaubühne darüber hinaus ihre Tradition der zeitgemäßen, kritischen Neuinterpretation des Werks von Anton Tschechow fort (Falk Richter mit »Die Möwe« und 2006/07»Drei Schwestern«, Luk Perceval mit »Platonow«).

 

Die drei festen Regisseure der Schaubühne verbindet das Interesse an einer vertieften Arbeit mit Schauspielerpersönlichkeiten und an der Weiterentwicklung eines Ensembles, das diese Form der Klassikeraktualisierung gestalten und verkörpern kann. Und sie teilen das Interesse an einer intensiven Beschäftigung mit zeitgenössischer Dramatik als Uraufführungsregisseure. Luk Perceval hat bisher an der Schaubühne die Uraufführungen von Marius von Mayenburgs Stücken »Das kalte Kind« (2002) und »Turista« (2005) sowie »Andromache« nach Racine inszeniert, wofür er 2003 den Friedrich-Luft-Preis gewann. Seine Inszenierung »Aars!«, eine Bearbeitung der »Orestie«, gastierte im Juni 2001 an der Schaubühne, »L. King of Pain« im Oktober 2002. Sein Shakespeare-Marathon »Schlachten!« und »Traum im Herbst« von Jon Fosse wurden 2000 respektive 2002 zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Seit 2005/06 arbeitet Luk Perceval als Hausregisseur an der Schaubühne. Seine Inszenierung der »Maria Stuart« hatte im Februar 2006 Premiere und wurde mit dem Friedrich-Luft-Preis ausgezeichnet., Im Mai 2006 inszenierte er Anton Tschechows »Platonow«, im Septermber 2006 »Tod eines Handlungsreisenden« und im August 2007 wird er »Molière. Eine Passion« an der Schaubühne zeigen.

 

Falk Richter inszeniert seit 2000 an der Schaubühne und ist seit der Spielzeit 2006/07 hier Hausregisseur. Er arbeitet auch als Autor und Übersetzer.

 

In den Uraufführungen seiner eigenen Texte und britischer Dramen von Caryl Churchill, Sarah Kane und Martin Crimp untersucht Falk Richter das umfassende Gefühl des Bedrohung in den Gesellschaften des Westens im Angesicht der Gewalt, die ausgeht von der Medialisierung des Alltagslebens, den Anforderungen einer neoliberalen Ökonomie und den neuen Kriege des 21. Jahrhunderts. An der Schaubühne inszenierte er 2000 die Uraufführung seines Stückes »PEACE«, 2001 die deutschsprachige Erstaufführung von Caryl Churchills »In weiter Ferne« und »4.48 Psychose« von Sarah Kane (Koproduktion mit dem Schauspielhaus Zürich).

 

In der Spielzeit 2003/04 entstand der experimentelle Werkstattzyklus »Das System«. Der thematische Ausgangspunkt der Recherche, war eine kritische Auseinandersetzung mit unsere Art zu leben„ - in ihren Aspekten privates Glück, Arbeit und Politik in einer nach dem 11. September durch Terror bedrohten globalisierten Welt. Die Inszenierungen wurden von einem Rahmenprogramm Demokratie und Krieg„ aus Filmen, Diskussionen, Expertenbefragungen und Publikumsgesprächen begleitet. Tom Kühnel inszenierte Falk Richters »Electronic City (Das System 1)« und unter Richters eigener Regie entstanden die Uraufführungen seiner Stücke »Unter Eis (Das System 2)«, »Hotel Palestine (Das System 4)« sowie die deutschsprachige Erstaufführung von Martin Crimps »Weniger Notfälle (Das System 3/ Amok)«.

 

2005 folgte die Uraufführung von Falk Richters »Die Verstörung«, im Herbst 2007 wird er sein Stück »Im Ausnahmezustand« inszenieren.

 

Eine kalte neue Welt, die auch menschliche Gefühle und Beziehungen nach ihrem Marktwert handelt, spiegelt sich in den kühlen Welten, die Falk Richters Tschechowbearbeitungen entwerfen. 2004 inszenierte Falk Richter »Die Möwe« (Koproduktion mit den Salzburger Festspielen und dem Schauspielhaus Zürich). 2006 setzte Falk Richter seine Auseinandersetzung mit Anton Tschechow an dessen Drama »Drei Schwestern« fort.





1962-2007

1962

 

wurde das Theater unter dem Namen "Schaubühne am Halleschen Ufer" als privates Theater mit einem politisch und sozial engagierten Spielplan gegründet. Von den ursprünglich vier Gründungsmitgliedern trägt Jürgen Schitthelm seit 1987 die alleinige Verantwortung als Direktor für die Schaubühne.

 

1970

 

kam mit Peter Stein eine Gruppe junger Theatermacher und -schauspieler an die Schaubühne. Vor dem Hintergrund der 68er-Bewegung und ausgehend von einer Unzufriedenheit mit dem damaligen Stadttheatersystem ging es darum, dem deutschen Stadttheater durch neue Formen gemeinsamer Theaterarbeit eine Alternative entgegenzusetzen. Ein Mitspracherecht aller künstlerischen Mitarbeiter bei Stückauswahl und Spielplanpolitik und die überragende Bedeutung einer wissenschaftlich und langfristig konzipierenden Dramaturgie ermöglichten den Aufbau eines der bedeutendsten Schauspielensembles und eine ungewöhnliche Durchdringung von gesellschaftlichem Alltag und konzentrierter Theaterarbeit. Über 30 Einladungen zum Berliner Theatertreffen, 44 Fernsehaufzeichnungen von Schaubühnen-Inszenierungen und zahlreiche internationale Gastspiele dokumentieren dies auf eindrucksvolle Weise. Als "Schaubühnen-Stil" gelten seitdem der behutsame Umgang mit und die psychologisch genaue Ausleuchtung von Texten und Epochen der Weltliteratur. Neben der Auseinandersetzung mit der griechischen Tragödie, dem Zeitalter Shakespeares, Tschechows, mit Dramatikern des 19. Jahrhunderts, der deutschen und französischen Klassik gehörten Stücke zeitgenössischer Autoren wie Botho Strauß und Peter Handke zum Spielplan der Schaubühne. Peter Stein blieb bis 1985 Künstlerischer Leiter, zu seinen bedeutendsten Inszenierungen zählen "Peer Gynt" (1971), "Das Sparschwein" (1973), "Prinz Friedrich von Homburg" (1972), "Sommergäste" (1974), "Groß und Klein" (1978), "Die Orestie des Aischylos" (1980), "Drei Schwestern" (1984), "Der Kirschgarten" (1989) und "Roberto Zucco" (1990). Steins Weggefährten, die Regisseure Klaus Michael Grüber, Luc Bondy und Robert Wilson, haben bis Ende der neunziger Jahre an der Schaubühne gearbeitet.

 

1981

 

zog die Schaubühne in ein in den zwanziger Jahren von dem Architekten Erich Mendelsohn errichtetes Gebäude am oberen Kurfürstendamm und führt seitdem den Namen "Schaubühne am Lehniner Platz". Das Haus verfügt über drei Spielstätten, die unabhängig voneinander, aber auch gemeinsam genutzt werden können. Regisseuren und Ausstattern ist es damit möglich, komplexe, den Zuschauer miteinbeziehende Bühnenräume jenseits des klassisch-starren "Guckkasten"-Prinzips zu entwickeln. Nach Luc Bondy und Jürgen Gosch führte die Regisseurin Andrea Breth als Künstlerische Leiterin die Tradition des Theaters fort. Ihre Trilogie mit Stücken des 19. Jahrhundert, "Der einsame Weg" (1991), "Hedda Gabler" (1993) und "Onkel Wanja" (1998), zählen zu ihren herausragenden Schaubühnen-Arbeiten.

 

Von 1999 bis 2004

 

arbeitete die Schaubühne unter der Künstlerischen Leitung von Sasha Waltz, Thomas Ostermeier, Jens Hillje und Jochen Sandig als Schauspiel- und Tanztheater.

 

Seit 2005

 

liegt die künstlerische Verantwortung bei Thomas Ostermeierund und Jens Hillje, nachdem sich Sasha Waltz entschlossen hat, ihre Arbeit mit einer eigenen Compagnie weiterzuführen. Die an der Schaubühne herausgebrachten Tanzproduktionen bleiben weiterhin im Repertoire.

 

Der Spielplan entsteht in einer ständigen inhaltlichen Auseinandersetzung zwischen Leitung, Dramaturgie und Ensemble. Die Schaubühne versteht sich als ein Laboratorium, das im Dialog mit anderen Disziplinen wie Architektur, Bildende Kunst, Musik, Literatur und Film an der Entwicklung einer neuen Theatersprache arbeitet. Das unverwechselbar eigene Profil der Schaubühne seit ihrer Gründung wurde dank des konsequent zeitgenössischen Spielplans geschärft und hat den Ruf der Schaubühne als eines der führenden deutschsprachigen Theater im In- und Ausland bestätigt.